Gesetzentwurf zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Redebeitrag von Stefan Schuster vom 8. Juli 2015 im Bayerischen Landtag

  • von  Team Schuster
    09.07.2015
  • Reden, Featured, Öffentl. Dienst

Unter diesem Link ist das Video des Redebeitrags abzurufen

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch hier in Bayern und nicht zuletzt für den Freistaat als Arbeitgeber selbst ein aktuelles und besonders wichtiges Thema. Es ist nicht damit getan, mit Modebegriffen wie „Work life Balance“ und „Babypause“ um sich zu werfen und Eltern ein paar hundert Euro Betreuungsgeld in die Hand zu drücken.

Den gestiegenen und weiter steigenden Anforderungen durch Kindererziehung und pflegebedürftige Angehörige muss ebenso Rechnung getragen werden wie familiären und gesellschaftlichen Entwicklungen. Durch die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und eine Weiterentwicklung bestehender Rollenbilder sind traditionelle Familienkonstellationen nichtmehr selbstverständlich in jeder Familie die gelebte Realität. Diese Entwicklungen sollten nicht als Bedrohung für die bayerischen Familien, sondern als eine Chance für die Gesellschaft und die Arbeitgeber gesehen werden.

Beim Ausbau des Angebots an Kindertagesstätten hat die SPD bereits auf Bundesebene sehr viel bewegt. Wenn die gesteckten Ziele erreicht werden, haben junge Väter und Mütter die Chance, ihren Karriereweg zu verfolgen, ohne dass sich jemand aus dem Berufsleben zurückziehen muss. Es wäre schön, wenn endlich auch hier in Bayern die Bedeutung erwerbstätiger Frauen erkannt würde und nicht die Förderung von Ein-Verdiener-Haushalten durch das Betreuungsgeld als fortschrittlich deklariert würde. Es sollte auch bei den regierenden Kollegen hier im hohen Haus angekommen sein, dass immer mehr Paare auf zwei Gehälter angewiesen sind. Flexible Arbeitszeitmodelle und neue Formen der Erwerbstätigkeit sind hier der richtige Weg.

In der Familienpolitik geht es aber nicht nur um junge Eltern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der fließende Übergang in den Ruhestand, die Pflege von Angehörigen und die Konsequenzen von begrenzter Dienstfähigkeit sind Themen, die vor allem Beamtinnen und Beamte beschäftigen. Die einberufene Arbeitsgruppe hat einige Problemfelder und viel Handlungsbedarf richtig erkannt und große Teile dieses Gesetzentwurfes sind zumindest als Schritt in die richtige Richtung zu sehen.

Die Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen wird mittlerweile für immer mehr Personen ein akutes Thema. Der finanzielle und zeitliche Aufwand trifft viele Betroffene plötzlich und ist nicht planbar. Es ist in diesem Sinne sehr zu begrüßen, dass endlich die Möglichkeit geschaffen wird, sich nach Ausschöpfen der Höchstbeurlaubungsdauer von 15 Jahren noch für weitere zwei Jahre Beurlaubung zur Pflege genehmigen zu lassen. Die Pflege von Angehörigen trifft viele Leute plötzlich und darf nicht zweitrangig behandelt werden. Die Möglichkeit eines Gehaltsvorschusses bei Pflege von Angehörigen ist ein weiteres Instrument, das an dieser Stelle für Entlastung sorgen kann.

Dabei darf es aber nie dazu kommen, dass Arbeitnehmer um ihr berufliches Vorankommen fürchten müssen, wenn sie auf gesetzlich verankerte Angebote zurückgreifen. Eine fiktive Laufbahnnachzeichnung, die gegebenenfalls auch Beförderungen enthält ist bei Pflegezeit vorzunehmen.  Ich begrüße ausdrücklich, dass die Pflegezeit durch die geplante Neuregelung im Sinne der Laufbahnnachzeichnung gleichberechtigt neben Elternzeit und Beurlaubung zur Kinderbetreuung stehen soll. Ob Elternzeit oder Pflegezeit: Der Freistaat muss als Arbeitgeber die familiären Herausforderungen  seiner Arbeitnehmer unterstützen, aber nicht nur sie!

Gleichstellungsbeauftragte, Vertrauenspersonen für schwerbehinderte Menschen und Personalratsmitglieder müssen ohne Laufzeitbeschränkung eine fiktive Laufbahnnachzeichnung erfahren. Das Wort „müssen“ ist an dieser Stelle nicht zufällig gewählt. Ich teile an dieser Stelle die Bedenken des Bayerischen Beamtenbundes, dass eine „Soll“-Vorschrift nicht das flächendeckende Umsetzen der Neuregelung garantiert.

Dieser Änderungsantrag bereichert den Gesetzesvorschlag, eine Schlechterstellung durch die Ausübung einer der genannten Tätigkeiten in der Praxis muss aber dringlich verhindert werden. Dabei geht der Änderungsantrag auf viele Forderungen des Bayerischen Beamtenbundes ein, diese müssen aber konsequent zu Ende gedacht werden und so auch umgesetzt.

Bei der Umsetzung der Kombination von Altersteilzeit im Blockmodell und Antragsruhestand sieht man ebenfalls den guten Willen der Regierung, aber eine große Unsicherheit bei der Umsetzung. Dass sich nach Antritt der Altersteilzeit noch Umstände ergeben können, die einen Antragsruhestand begründen ist nicht weit hergeholt und in der Praxis nicht selten der Fall. Jedem Betroffenen sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, unter Inkaufnahme von Abschlägen aus der Altersteilzeit vorzeitig auszuscheiden, um sich um Enkelkinder oder pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. Ich kann nur hoffen, dass die Untersuchung auf „hinreichend relevanten Umfang der zeitlichen Beanspruchung durch die Betreuung oder Pflege“ dem Erreichen der Zielgruppe dient und ihr nicht im Weg steht. Eine gesetzliche Neuregelung, die sich schön liest, die aber nicht zur Anwendung kommt ist so effektiv wie eine Maut, die man erst eintreibt und den Leuten dann am Jahresende zurückerstattet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich finde es schön zu sehen, dass die Fraktion der Freien Wähler unsere Forderung nach der Ausweitung von Tele- und Wohnraumarbeit aufgegriffen und in diesem Kontext mit einem Änderungsantrag neu platziert hat. Im Gesetzesentwurf der SPD-Landtagsfraktion zum Gleichstellungsgesetz 2013 (Drucksache 16/18233) regten wir diese Thematik bereits an und wir unterstützen sie auch weiterhin. Die Landesregierung muss sich hier zur wirklichen Umsetzung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf bekennen und nicht nur halbherzig das Themenfeld ankratzen. Die Beurlaubung von Müttern und Vätern und der zumindest zeitweise Verlust von ihnen als Arbeitskräfte kann so in vielen Fällen von vornherein vermieden werden. Das gleiche gilt für Arbeitnehmer, die Angehörige pflegen müssen. Auch in diesem Punkt müssen sie äquivalent zu Eltern behandelt und von Seiten des Freistaates unterstützt werden. Wenn der Arbeitsplatz und der Arbeitnehmer dafür geeignet sind, ist Tele- und/oder Wohnraumarbeit oft eine gute Lösung.

Leider bleibt es aber viel zu oft bei bloßer Phrasendrescherei der Regierung und mangelnder Umsetzung nötiger Neuregelungen. Dass die CSU im Zweifelsfall auch mal überhaupt nicht erkennt, wo ein Problem angegangen werden muss, sieht man bei der Neuregelung der Besoldung begrenzt Dienstfähiger. Die Besoldung begrenzt Dienstfähiger wird bisher als fiktives Ruhegehalt berechnet und deswegen zurecht als verfassungswidriger Zustand angeprangert. Im März 2014 wurde eine ähnliche Regelung in Baden-Württemberg gekippt und so ist es nur richtig, rückwirkend zum April 2014 das Bayerische Besoldungsgesetz anzupassen. Begrenzt Dienstfähige sind Arbeitnehmer, die Vollzeit arbeiten würden, dazu aber nicht in der Lage sind. Dass sie häufig nicht mehr verdienen als Personen, die freiwillig nur in Teilzeit arbeiten, ist nicht länger tragbar. Sie müssen endlich als vollwertige Arbeitnehmer und nicht als Pensionäre im Wartestand betrachtet werden. Auch wenn dieses Thema nicht zu den primären Themenfeldern von „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ gehört, ist es ein wichtiges und der Gesetzentwurf dahingehend sinnvoll.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Mir scheint, als würden so langsam Denkprozesse bei der Regierung in Gang geraten. Zwar einige Jahre später als andere, aber nach und nach merkt die CSU-Fraktion, was einen modernen Arbeitgeber ausmacht. Verbesserte Möglichkeiten, Beurlaubung zur familiären Pflege zu erhalten, eine angemessene Besoldung begrenzt Dienstfähiger und eine bessere Berücksichtigung von Pflegezeiten in der Laufbahnnachzeichnung  sind kein schlechter Anfang. 

Wenn jetzt noch bessere Möglichkeiten zur Tele- und Wohnraumarbeit geschaffen werden und endlich eine Fachkräfte- und Nachwuchsinitiative initiiert wird, sehe ich gute Voraussetzungen dafür gegeben, dass der Fachkräftemangel an den vielen vorhandenen Baustellen angegangen werden kann!

Aber neben der Perspektive des Freistaats der gute Arbeitskräfte braucht gibt es immer noch die Perspektive der Angestellten, Beamten und Beamtinnen, die einen guten Arbeitgeber brauchen. Die These, dass die Fraktion der CSU begriffen hätte, wie wichtig Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist, kann ich wahrlich nicht unterschreiben, wenn ich hier in die Runde schaue. Umso erleichterter bin ich, dass zumindest aus der eingerichteten Arbeitsgruppe ein paar Impulse kommen. Wir jedenfalls bleiben an dem Thema dran, nicht nur beim Freistaat als Arbeitgeber, sondern auf allen Ebenen!